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Die Lovestory

des Jahrtausends

Technologie und menschliches Bedürfnis – das Traumpaar ist noch nicht lange zusammen und hat dennoch die ganze Welt auf den Kopf gestellt. Ein Phänomen, mit dem auch die Medienbranche zurechtkommen muss.

Es gibt sie, diese perfekten historischen Übereinstimmungen von Technologie und menschlichem Bedürfnis. Das Streben nach Wissen und der Buchdruck zum Beispiel. Oder das Bedürfnis nach wirtschaftlichem Aufschwung in den Nachkriegsjahren und das Aufkommen des TV.

Doch das Traumpaar in dieser Kategorie «Tech meets Need» ist noch nicht lange zusammen und hat trotzdem die ganze Welt auf den Kopf gestellt: Das Smartphone und die moderne Kommunikationsgesellschaft.

Auch wenn sich in diesem Fall zwar gepflegt über die «Huhn oder Ei»-Frage diskutieren lässt («Hat die Technologie das Bedürfnis ausgelöst – oder andersrum?»). Der Siegeszug dieses Millennial-Paars ist total, der Einfluss auf jede Branche und Lebenssituation fundamental.

Dating? Tinder. Shopping? Apps von Amazon bis Zalando. Reisen? Tickets im Wallet. Gutes Hotel? Trip-Advisor. TV? Ich streame auf den Bildschirm. Zeitvertreib? Da fangen wir erst gar nicht an aufzuzählen.

Auch wir in der Medienbranche haben lernen müssen, mit diesem Phänomen umzugehen. Eine Zeitung machen, die einen Tag lang «hält», wirkt heute als Idee fast so antiquiert wie der Stein des Hammurabi.

Auch die «Web First»-Zeit ist schon überholt: Seine Prozesse auf das Aktualisieren einer Website auszurichten, bedeutete Output von Montag bis Freitag, 8.00 bis 17.00 Uhr, und noch ein bisschen was für die Randstunden und das Weekend – und gut war. Tempi passati.

Ein «Mobile First»-Medienunternehmen zu sein, bedeutet heute, seinen Usern 7×24 Information und Unterhaltung zu bieten. Unser erster Traffic-Peak bei «20 Minuten» ist um 5.00 Uhr in der in der Früh und flacht erst nach Mitternacht wieder ab. Die Nachtstunden brauchen wir dann, um einen frischen digitalen Auftritt für den Morgen herzurichten.
Mobile First ist im Jahr 2016 ein Mindset, das von der Rekrutierung der richtigen Journalisten (schnelle Auffassungsgabe, multime­dial, sozial vernetzt) bis hin zu den Arbeits­tools (Liveticker via Handy, Streaming von Pressekonferenzen mit dem iPhone) alle Aspekte unseres Berufs umfasst.
Wohin die Reise noch gehen wird, lässt sich nur erahnen. Sie wird unsere Branche aber mit Sicherheit weiterhin zwingen, Strukturen anzupassen, Gewohntes über Bord zu werfen und Neues zu versuchen.

Das kann man beklagen oder verteufeln. Sich dem widersetzen aber kann man nicht.

Text: Marco Boselli, Chefredaktor «20 Minuten»
 

 

 

«Der Siegeszug dieses Millennial-Paars – Technologie und menschliches Bedürfnis – ist total, der Einfluss auf jede Branche und Lebenssituation fundamental.»

«Ein «Mobile First»-Medienunternehmen zu sein, bedeutet heute, seinen Usern 7×24 Information und Unterhaltung zu bieten.»

Marco Boselli ist seit 2003 Chefredaktor von «20 Minuten» und war massgeblich an der Entwicklung
der Pendlerzeitung beteiligt.

Seine «Digital First»-Strategie und die entsprechende Umsetzung haben dazu geführt, dass «20 Minuten» heute sowohl im Print- als auch im Digitalbereicheine klare Leaderposition innehat.

Er ist, wie er selber schreibt, glücklich verheiratet mit Caroline Pelichet und hat zwei Söhne, Max (18) und Vincent (21)