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Digitale Revolution

Sie erfasst alle Branchen

Die Digitalisierung durchdringt immer tiefer jeden Winkel unseres gesellschaftlichen Lebens und wirkt sich auch direkt auf Unternehmen aus. Die Vernetzung von «Dingen» und Menschen zu einem «Internet of everything» spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Umstellung der Kommunikation ist dafür unumgänglich.

Die Digitalisierung durchdringt immer tiefer jeden Winkel unseres gesellschaftlichen Lebens und verändert das Umfeld sowie die Rahmenbedingungen, in denen Unternehmen ihr Geld verdienen. Einige Branchen sind dabei härter und von anderen Teilaspekten betroffen als andere, doch früher oder später werden alle Unternehmen erfasst. 

Um Orientierung in die unzähligen Aspekte der Veränderung durch die Digitalisierung zu bringen, ist es wichtig, zunächst diejenigen Megatrends zu verinnerlichen, die wirklich alle Firmen grundlegend und nachhaltig betreffen: die Vernetzung von «Dingen» und Menschen zu einem «Internet of everything». 

Social Media – Märkte werden zu Gesprächen 
Social Media wie Facebook, Twitter, Xing oder YouTube haben sich in den letzten Jahren in atemberaubendem Tempo ausgebreitet. Wichtiger als einzelne Plattformen sind die Prinzipien und Funktionsweisen, die alle diese sozialen Medien im Internet vereinen und grundlegend von TV, Radio und Print als den dominanten Kanälen des Massenkommunikationszeitalters unterscheiden. 

Diejenigen, die früher nur Nutzer, Leser oder Zuschauer waren, können und sollen die Inhalte selbst erstellen, bearbeiten und verbreiten. Mittlerweile ist dieses «Gesprächsprinzip» im Web weit über Social-Media-Kanäle hinaus zum Normalfall geworden: So wie in der Offline-Welt immer schon auf Schulhöfen, Abendessen oder Gartenpartys kann hier jeder etwas erzählen, und die Gesprächspartner können entweder zuhören oder sich eben am Gespräch beteiligen. 

Anders als in der Offline-Welt ist der Teilnehmerkreis jedoch nicht mehr auf die wenigen Menschen vor Ort beschränkt, sondern alle im jeweiligen Netzwerk können mitmachen. 

Eine gigantische Marktmachtverschiebung
Für Unternehmen hat dies gravierende Konsequenzen. In so ziemlich allen Umfragen zu diesem Thema geben Menschen an, dass für sie die vertrauenswürdigste Information überhaupt die Empfehlung von Menschen sei, die sie kennen.

Dies ist nicht verwunderlich, denn schliesslich vertraut man darauf, dass die eigenen Bekannten einem nur das empfehlen, was sie wirklich gut finden. 

Damit wird klar, dass es sich beim Aufkommen von Social Media als weit verbreitete Kommunikationsform im Kern um eine gigantische Marktmachtverschiebung hin zum Kunden handelt. 

Im Zweifelsfall haben Nachfrager Zugriff auf Informationen von anderen Menschen, denen sie mehr vertrauen und die für sie relevanter kommunizieren als die Anbieter. 

Chancen und Risiken – zuhören, positionieren, einbinden!
Die Chancen, die Empfehlungen anderer Kunden massenhaft über Social Media zu nutzen, sind gewaltig. Um von der neuen Entwicklung zu profitieren, müssen Unternehmen aber ihre Strukturen und ihre Kultur weg von Push-Werbe-Kommunikation hin zu mehr «Zuhören und Dialog» anpassen. 

Beim Bild der Gartenparty wird dies am ehesten deutlich: auf den meisten Gartenpartys sind weder Verkaufsprospekte zu sehen, noch kauft dort jemand etwas. 

Aber Menschen tauschen dort mit denen, die sie sich selbst ausgesucht haben, neben Smalltalk-Themen eben Informationen aus, die später extrem kaufrelevant werden können.

Jeder hat schon einmal den Bekannten erzählen hören, wie er sich zum Beispiel über den letzten Restaurantbesuch oder eine Autoreparatur geäussert hat. Vielleicht war dies gerade jetzt oder Jahre später für einen selbst oder für einen anderen Freund relevant, so dass man sich erinnerte, die Erfahrungen des Bekannten noch einmal zurate zu ziehen. 

Solche Gespräche wurden immer geführt und werden es eben zunehmend nicht nur in der Offline-Welt, sondern wie beschrieben im Social Web. 

«Wenn man nicht im Raum ist»
Für Unternehmen bietet sich die Chance, über entsprechende Technologien diesen Gesprächen zuzuhören und zu lernen, was Kunden oder andere Menschen über die eigenen Produkte, die Branche oder Mitbewerber sagen «wenn man nicht im Raum ist». 

Solche «Social Media Listening Technologien» können komplex werden und sind deswegen, wenn überhaupt, erst in grösseren Unternehmen zu finden, die damit Tausende von Schlagworten in Foren, Twitter, Facebook & Co auswerten und so lernen können, wie und wer über die Themen des Unternehmens redet. 

Dieses Zuhören hilft dabei, näher am Kunden und am Markt zu sein, besser passende Produktangebote zu entwickeln und schneller auf Beschwerden reagieren und vielleicht durch Beteiligung am Gespräch ausräumen zu können, bevor sich eine negative Meinung im Netz verbreitet. Bei der Umstellung der Kommunikation sind sicherlich viele Hürden zu überwinden – nach der Erkenntnis der Notwendigkeit aufgrund der Marktmachtverschiebung und des Sehens der Chancen müssen oft erst entsprechende Dialog-Kompetenzen sowie technologische Voraussetzungen geschaffen werden. 

«Das» geht nicht mehr weg
Es wird dauern, zu lernen, ob und wie die Kunden Lust haben, über Social Media mit dem Unternehmen in Kontakt zu bleiben; aber es gibt keine Alternative dazu, denn «das» geht nicht mehr weg und die Chancen, schneller am Markt bessere Entscheidungen zu treffen.

Text: Prof. Dr. Klemens Skibicki
 

«Früher oder später werden alle Unternehmen erfasst»

«Um von der neuen Entwicklung zu profitieren, müssen Unter­nehmen ihre Strukturen und ihre Kultur hin zu mehr ‹Zuhören und Dialog› anpassen.»

«Solche Gespräche werden zunehmend auch im Social Web geführt.»

«Dieses Zuhören hilft dabei, näher am Kunden und am Markt zu sein.»

«Oft müssen erst entsprechende Dialog-Kompetenzen sowie technologische Voraussetzungen geschaffen werden.»

Prof. Dr. Klemens Skibicki ist Experte im Bereich «Digitale Transformation» von Geschäftsmodellen, Unternehmensstrukturen und Unternehmenskultur.

Er hat Diplomabschlüsse in BWL und VWL und promovierte 2001 zum Dr. rer. pol. im Fach Wirtschaftsgeschichte.

Seine Tätigkeiten

  • Unterrichtet als Professor 
  • für Economics, Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School in Köln.
  • Ist unternehmerisch aktiv 
  • als Mitgründer der Internet-Beratungsagentur «Brain Injection» in Köln.
  • Engagiert sich als Business Angel oder Investor in digitalen Start-ups.
  • Begleitet als Unternehmensberater bei der «Convidera GmbH» Unternehmen auf dem Weg der digitalen Transformation.
  • Ist Kernmitglied des Beirats «Junge Digitale Wirtschaft» des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
  • Berät den Bereich 
  • «Corporates» im 
  • Digitalbotschafter-Kreis 
  • des Wirtschaftsministers Nordrhein-Westfalen.