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Interview Dr. Veit Etzold

Ein Profi erklärt sich

Was gute Strategie mit Storytelling zu tun hat und wie Sie Change-Initiativen erfolgreich umsetzen.

Herr Dr. Etzold, Sie halten nicht nur Vorträge und beraten Unternehmen zum Thema Storytelling, sondern auch zum Thema Strategie. Storytelling und Strategie: Wie passt beides zusammen?
Ich habe mich sowohl in meiner Beraterzeit bei der Boston Consulting Group als auch als Dozent an verschiedenen Business- Schulen lange Zeit mit Strategie befasst. Dabei konnte ich immer wieder beobachten: Eine Strategie funktioniert nur, wenn sie auch umgesetzt wird. Die Umsetzung funktioniert aber nur, wenn die Mitarbeiter verstanden haben, was sie da genau umsetzen sollen. Ihnen muss also klar sein, warum sie etwas machen (die Strategie) und was genau sie tun sollen (die Operations / Umsetzung).

Der Schritt, der dafür erforderlich ist, ist die erfolgreiche Kommunikation der Strategie. Sei es ein Change-Projekt, Innovationsinitiativen, Digitalisierungsstrategien oder der Verkauf bzw. die Akquise neuer Geschäftsbereiche: Wandel wird nicht immer als schön empfunden und muss überzeugend erklärt werden. Von den Führungskräften! Dabei hat Strategie sehr viel mit Storytelling zu tun: Strategie ist der Weg zum Ziel im Widerstreit mit dem Wettbewerb. Eine Story ist der Weg des Helden zum Happy End im Widerstreit mit dem Bösewicht. Darum ist eine Story der beste Weg, um die Strategie zu erklären. Und damit der erste Schritt zu ihrer erfolgreichen Umsetzung.

Sehen die Unternehmen die Strategieumsetzung auch als grosse Herausforderung?
Die meisten Unternehmen, mit denen ich rede, sehen die erfolgreiche Umsetzung von Strategien, gerade in Richtung digitale Transformation, wie sie ja auch bei vielen Banken stattfindet, als eines der drängendsten Probleme. Oft fehlt es daran, das Ziel klar zu benennen, die Strategie in Form einer guten Story im Unternehmen klar zu kommunizieren und letztendlich, die PS auch auf die Strasse zu bekommen. Denn eine Strategie, die nicht umgesetzt wird, ist wertlos.

Ist es denn nur mit einer erfolgreichen Umsetzung getan? Muss nicht Strategie auch geplant werden?
Selbstverständlich. Das kommt als Allererstes. Leider wird Strategie oft mit dem Ziel verwechselt, ist aber genau genommen «der Weg zum Ziel».

Ein Unternehmen hat ein Ziel, das es erreichen will, z. B. Marktführer in der Schweiz in seinem Bereich zu werden. Der Weg zum Ziel ist die Strategie. Und die einzelnen Schritte dorthin sind die Taktik.

Kann man denn Strategie von vorne bis hinten planen?

Nein, Strategie muss sich auch an die Gegebenheiten anpassen und ist in den meisten Fällen nicht komplett planbar. Wir sind trotz Hochleistungsrechnern nicht in der Lage, das Wetter für zwei Tage vorherzusagen. Wie wollen Sie dann wissen, wie der Markt in zwei Jahren aussieht?

Schon Carl Freiherr von Clausewitz wusste, Strategie funktioniert so lange, bis der erste Schuss fällt. Mike Tyson hat das etwas deutlicher gesagt, aber eigentlich das Gleiche gemeint, als er sagte: Jeder hat eine Strategie. Bis er eins in die Fresse bekommt. Strategien muss man anpassen, aber das Ziel sollte man nicht ständig ändern. Wir können nicht, wie z. B. Air Berlin, sagen, wir wollen heute Marktführer bei Business-Travellern und morgen wieder Marktführer bei Malle-Touristen sein. Das kann nur schiefgehen, wie man gerade sieht.

Das Ziel muss klar und wenigstens mittelfristig unverrückbar sein. Eine Strategie, also den Weg zum Ziel, zu planen, wenn doch alles andere in ständigem Fluss ist und sich verändert – das klingt auf den ersten Blick widersprüchlich. Doch gute Strategieplanung verbindet das Kurz- mit dem Langfristigen und hat ständig das grosse Ziel im Blick. Dieses Ziel wird aber oft nicht definiert. Man kann aber nicht sein Ziel erreichen, wenn man nicht weiss, wer man ist und was man will. Sie müssen wissen, was Ihr Unternehmen einzigartig macht, wie es positioniert ist und welche ungenutzten Möglichkeiten noch auf Sie warten. Um irgendwohin zu kommen, muss man erst mal wissen, was man ist und was nicht.

Kommen wir noch einmal zum Storytelling. Welche Rolle kann eine gute Story im Transformationsprozess noch spielen?
Heute wird viel davon gesprochen, dass «der Kunde» und nicht «das Produkt» im Mittelpunkt stehen soll. Das ist überhaupt nicht neu und wurde von erfolgreichen Unternehmen immer schon so gemacht. Der Kunde zahlt schliesslich Geld. Ein Produkt kostet erst einmal Geld. Das Produkt wird erst profitabel, wenn ein Kunde dafür Geld auf den Tisch legt.

Daher sollten Sie die Strategie und das Wertversprechen Ihres Unternehmens als Customer Journey vom Kunden aus denken: Welchen «Schurken» besiegen Sie für Ihren Kunden künftig derart überzeugend, dass Ihr Kunde sich kein anderes Unternehmen als Sie mehr vorstellen kann?

Und diesen Blick durch die Kundenbrille müssen Sie auch Ihren Mitarbeitern vermitteln. Denn die Kunden entscheiden am Ende, wie das Unternehmen wahrgenommen wird. Und keine rosigen PowerPoint Slides vom Marketing.

Amazon-Chef Jeff Bezos sagte so schön: «Die Marke ist das, was Kunden über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist.»

Wir haben die Strategie und wir haben die Story. Haben Sie noch einen letzten Tipp für die finale Umsetzung?
Wir alle kennen brillante Ideen, die niemals realisiert wurden. Denn die erfolgreiche Implementierung ist der Königsweg der Strategie. Am Ende wollen Sie schliesslich ein besseres Unternehmen und keinen Bücherschrank voller PowerPoints, die sich niemals mehr jemand anschaut. All Ihre Planungen waren sinnlos, wenn Ihre Strategie dadurch nicht erfolgreich umgesetzt wird.

Ganz wichtig ist dabei der Unterschied zwischen Strategie und Operations, die Einbeziehung aller Teile des Unternehmens und die Kunst, die Strategie hierarchieübergreifend im gesamten Unternehmen zu verankern. Der Vorstand muss seinen Bereichsleitern eine andere Story erzählen als der Abteilungsleiter seinen Teamleitern. Je höher die Hierarchie ist, desto stärker ist das strategische Element in der Story. Je tiefer, desto stärker das operative Element. Der preussische General von Moltke nannte das «Auftragstaktik», was in der Armee später zur Mission Command wurde. Von Moltke hatte sich schon im 19. Jahrhundert darüber Gedanken gemacht, wie eine Organisation gleichzeitig einheitlich ein Ziel verfolgt, aber dennoch jeder so autonom und effektiv wie möglich arbeitet.

Wer immer im Unternehmen eine Strategie verankern will, muss eine überzeugende Strategie-Story erzählen mit dem richtigen Mix aus Strategie, Operations und natürlich einer persönlichen Story, um als Absender von Geschichten glaubhaft zu sein.
Der in Unternehmen leider nach wie vor übliche Brauch, einfach die Vorstandspräsentation per Mail an sein Team weiterzuleiten mit den Worten «bitte umsetzen», führt jedenfalls nicht zum Erfolg.

Dr. Veit Etzold, «der deutsche Dan Brown» (Radio Bremen), versteht es, die Techniken einer spannenden Geschichte nahtlos in die Kommunikation von Individuen und Unternehmen zu übertragen. Nach einer Karriere als Manager in der Finanzbranche (Allianz), Unternehmensberatung (BCG) und in der Management-Ausbildung (ESMT, IESE) gelang ihm mit seinem Thriller «Final Cut» im Jahr 2012 der Durchbruch als einer der Top-Thriller-Autoren Deutschlands. Weitere «Spiegel»-Bestseller folgten. Veit Etzold begeistert in Vorträgen nicht nur Führungskräfte und Unternehmer, sondern auf seinen zahlreichen Thriller-Lese-Events auch Tausende von Krimi- und Thriller-Fans. Zu seinen Kunden gehören zahlreiche  DAX -Konzerne, Anwaltskanzleien, Banken und Strategieberatungen.

 

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