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Storytelling

Die Suche nach dem roten Faden

Unser Alltag wird begleitet von zahlreichen Geschichten. Doch ist man gefordert, diese zu Papier zu bringen, verschwimmt das Erlebte oder Gesagte oftmals im diffusen Nichts – ein quälender Schaffensprozess beginnt.

Die Kunst des Storytellings oder des Geschichtenerzählens und Niederschreibens findet heute in vielen Sparten Anwendung: im Wissensmanagement, in -Geschäftsberichten, als Blogg, PR oder Methode zur Problemlösung und in der Werbung. Texte mit trockenen Fakten finden einfach weniger Beachtung. Ihnen mangelt es an Unterhaltungswert. Aber was macht eine gute Geschichte aus? Wie verpackt man Alltägliches in eine -packende Story? Und welche Kriterien sollte der Schreibende beachten?

Aller Anfang ist schwer
Unabhängig davon, ob Texte dazu dienen, den Verkauf zu steigern, das Image zu beeinflussen oder die Bekanntheit eines Produktes zu stärken, in erster Linie geht es darum, aus Neugier Interesse zu bilden. Der Einstieg in eine Geschichte ist demnach matchentscheidend. Um «gähnfreie» Texte zu schreiben, muss gleich zu Beginn «geschossen» und in wenigen Worten Assoziationen ausgelöst werden, die zum Weiterlesen animieren. Die Verwendung von Metaphern, Redewendungen, Sprach- und Wortbildern oder -spielen ist oftmals ein vielversprechender Beginn einer packenden Story.

Protagonist mit Taktstock
Im weiteren Vorgehen verhält es sich wie beim Dirigieren. Ewige Monotonie im ⁴⁄₄-Takt bringt niemanden zum Schwitzen. Storys leben durch ihre Höhen und Tiefen, durch unerwartete Wendungen, einem Spannungsbogen. In der Regel basiert dieser auf den Handlungen eines Protagonisten. Einer Person, die scheitert, wieder aufsteht und durch einen glücklichen Zufall zum Erfolg gelangt. Die Unternehmenskommunikation ist reich bestückt mit derartigen Erfolgsstorys. Zu Recht, denn Menschen orientieren sich gerne an Ihresgleichen. Durch sie werden Geschichten greifbar und bleiben leichter in den Köpfen haften. Je ungewöhnlicher die Pointe, desto besser.

Verschiedene Textgattungen
Die Kriterien für lebendiges Schreiben gelten für jedes Genre, denn auch Briefe oder sachliche Mitteilungen sollten die Leser erfreuen. Nur so gehen Sie sicher, dass Ihnen innerhalb der wortgewaltigen Informationsflut auch eine wahrnehmbare Stimme verliehen wird. Unsere Sprache ist reich an Bildern und Wortwitz und macht das Schreiben zu mehr als -einer Notwendigkeit.

Schreibblockade – was nun?
Ein weisses Blatt Papier. Tausend Gedanken und doch kein klarer Kopf? Ideen kommen in der Regel nicht auf Knopfdruck. Sie müssen wachsen. Schreiben Sie daher einfach drauflos. Manchmal ergeben sich Geistesblitze während des Schaffens. Notieren Sie Stichworte und Assoziationen, die -Ihnen spontan in den Sinn kommen, und Sie werden sehen, wie schnell Sie ins Geschehen gezogen werden – denn Sie befinden sich bereits mitten im kreativen Schaffensprozess. Konzentrieren Sie sich auf die -Kernbotschaft und versetzen Sie sich in Ihre Leserschaft. Wählen Sie einen szenischen Einstieg, ungewöhnliche Parallelitäten und Ver-gleiche oder ungeahnte Sinnzusammenhänge, um den roten Faden aufzunehmen. Dazu muss mitunter über den Tellerrand hinaus geschaut oder der Blickwinkel gewechselt werden. Eine Mind- map oder andere -kreative Techniken wie die «Leiter des Erzählens», welche hilft, vom Abstrakten zum Konkreten zu gelangen, können dabei durchaus Überraschendes hervorbringen.

«Nur wenn wir das bildhafte oder episodische Gedächtnis erreichen, bleiben Storys in Erinnerung.»

Dr. Ernst Pöppel, Hirnforscher und Professor für medizinische Psychologie, Uni München

In der aktuellen Ausgabe des Dudens wird der Wortschatz der deutschen Alltagssprache auf rund 500’000 Wörter geschätzt. Je nach Bildungsstand werden davon jedoch nur ein bis zwei Prozent genutzt. So schien Goethe – gemäss Untersuchung seiner Werke – einen Wortschatz von rund 90’000 Wörtern zu besitzen.* Im Vergleich dazu stehen den Engländern rund 500’000 bis 750’000, also eineinhalb mal mehr Wörter zur Verfügung. Shakespeare nutzte «nur» 24’000 davon!**

Quelle:
www.statistik.baden-wuerttemberg.de
** Einfach kreativ schreiben: Erfolgreiche Texte in kurzer Zeit, Hubert Hunscheidt

Als effizienzbewusste Schreiberlinge haben wir uns gedacht, wir raten unserem Kollegen, der aufgrund eines Velounfalls mit zwei bandagierten Armen untätig zu Hause sitzt, das neue Siri-Spracherkennungs-App zu nutzen, welches gesprochene Nachrichten direkt in geschriebene Texte umwandelt. Als hervorragender Geschichtenerzähler hätte er so einfach seinen Input für die Rubrik FO-Security in dieser Ausgabe des Updates liefern können. Als wir den Text per Mail zugestellt erhielten, erreichten uns jedoch nur unzusammenhängende Wortfetzen. Lag es an seinem österreichischen Akzent? Nein, die Applikation kann lediglich einfache Messages aufnehmen und umsetzen.

Auf dem Gauklerplatz in Marrakesh, dem Jemaa el Fna, wird die Kunst des Geschichten Erzählens noch zelebriert. In der Abenddämmerung strömen die Menschen herbei und bilden jeweils grosse Trauben um die «Sprachmagier». Auch wer der arabischen Sprache nicht mächtig ist, spürt die spannungsgeladene Stimmung in der Luft – während ringsherum das Leben pulsiert.

  • Formulieren Sie Ihre Kernaussage (Was will ich mitteilen?)
  • Versetzen Sie sich in die Lage der Leser (Was interessiert sie? Womit lassen sie sich emotional packen?)
  • Wählen Sie ein Szenario, das für Leser nachvollziehbar ist, sie mit in die Geschichte einbezieht
  • Formulieren Sie einen packen-den Lead, der bestimmte Assoziationen hervorruft
  • Nutzen Sie Metaphern, Wortspiele, Sprachbilder, Rede-wendungen oder eine konkrete Szene als Einstieg in die Thematik
  • Ändern Sie Ihren Blickwinkel, um Geschichten andersartig aufzugleisen
  • Achten Sie auf einen Spannungsbogen (Überraschen Sie Ihre Leser durch eine unvorhersehbare Wendung oder indem Sie zwei unterschiedliche Themen in einen neuen Kontext setzen)
  • Vermeiden Sie Floskeln und Lobreden auf eigene Leistungen
  • Quälen Sie Ihre Leser nicht, nur sich selbst!